Inflationsbereinigte Jahresabschlußzahlen, Branchenwachstum und deren Potential Unternehmen in drei wirtschaftliche Zustände einzuteilen

Obwohl es bereits seit mehreren Jahren Forschungsbemühungen im Bereich der Krisen- und Insolvenzfrüherkennung gibt, ist der Krisenevolutionsprozess nicht verstanden noch kann dieser theoretisch beschrieben werden. Es gibt ausreichend offene Fragen, welche weitere Forschungsbemühungen rechtfertigen. In dieser Arbeit wurden österreichische Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen in drei wirtschaftliche Zustände eingeteilt, wobei die Variable „Jahresüberschuss“ (NI = net income) als Krisenindikator verwendet wurde. Ausgehend von Jahresabschlusszahlen sollte festgestellt werden, wie diese drei Zustände voneinander unterschieden werden können. Zudem wurde getestet, ob Profitabilitätskennzahlen bereinigt um die jährliche Inflation als auch der Einbezug des Branchenwachstums zu einer verbesserten Trennung zwischen den Unternehmenszuständen führen kann. 
 

ABSTRACT:

Ausgangslage: Seit den 60er Jahren wird versucht zu verstehen, wie sich Unternehmenskrisen entwickeln. Bisher ist es gelungen, mit teilweise hoch komplexen Ratingsystemen, einem Unternehmen eine Ausfallswahrscheinlichkeit zuzuordnen. Ungeachtet dessen ist das Wissen, wie sich Krisen entwickeln und wie sich finanzielle und wirtschaftliche Zustände zwischen den beiden Extrempolen gesund vs. insolvent beschreiben lassen, noch relativ gering. Es bedarf daher weiterführender Forschung, um Erkenntnisse zu liefern, welche für die mögliche Entwicklung einer Theorie der Krisenevolution genutzt werden können.

Ziel: In dieser Studie wurden Unternehmen in drei wirtschaftliche Zustände eingeteilt: a.) Insolvente Unternehmen, welche nach dem österreichischen Insolvenzrecht Insolvenz angemeldet haben, b.) Unternehmen, welche finanziell und wirtschaftliche angeschlagen waren (zwei aufeinanderfolgende Jahre negativer Jahresüberschuss) und den Turnaround geschafft haben (zwei aufeinanderfolgende Jahre positiver Jahresüberschuss) und c.) gesunde Unternehmen, welche weder als angeschlagen/erholt noch insolvent anzusehen sind. Es sollte festgestellt werden, in wieweit sich diese wirtschaftlichen Zustände voneinander unterscheiden, wie gut diese voneinander unterschieden werden können, inwieweit die Bereinigung von Profitabilitätskennzahlen aus der Jahresabschlusse um die Inflation zu einer verbesserten Trennung beitragen kann als auch zu ermitteln, inwieweit der Turnaround-Erfolg von der Branche eines Unternehmens abhängt.

Methode/Ansatz: Es wurde Jahresabschlusszahlen österreichischer Unternehmen erhoben und berechnet. Kennzahlen der Profitabilität wurden um die Jahresinflation bereinigt, sodass man eine „reale“ Profitabilität messen kann. In weiterer Folge wurde dann noch mit einer Dummy Variable festgestellt, ob die Branche des betreffenden Unternehmens zum Wachstum des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hat oder nicht. Anschließend wurden die Variablen mit deskriptiver und schließender Statistik bearbeitet. Die schlussendlichen Klassifikationsmodelle wurden mit der logistischen Regression berechnet.

Ergebnisse: Eine Trennung zwischen den einzelnen Unternehmensstadien zeigt sich als schwierig. Insolvente Unternehmen können von erholten Unternehmen nicht klar unterschieden werden. Die Gemeinsamkeiten sind sogar so hoch, dass nicht einmal ein Trennmodel berechnet werden konnte. Solvente Unternehmen unterscheiden sich von erholten Unternehmen darin, dass diese statistisch signifikant älter sind und eine nicht statistisch signifikante bessere Schuldentilgungsdauer besitzen. Die Trennung zwischen den beiden Unternehmensgruppen ist daher schwierig. Solvente Unterscheiden unterscheiden sich von insolventen Unternehmen statistisch signifikant im Alter und in der Profitabilität (beider Werte sind für solvente Unternehmen höher). Inflationsbereinigte Kennzahlen der Profitabilität konnten zu keiner Verbesserung der Klassifikationsgenauigkeit beitragen. Es zeigt sich aber, dass Unternehmen eher insolvent werden, wenn die Branche, in welcher diese tätig sind, insgesamt einen negativen Beitrag zum BIP hat.

Implikationen: Die Studie erlaubt klare Aussagen. a.) Der Indikator „Jahresüberschuss“ ist kein geeigneter Indikator, um die Zustände „distressed“ und „recovered“ bestimmen bzw. definieren zu können. b.) Daher ist eine Trennung zwischen insolventen und erholten Unternehmen schwierig. Dies könnte aber auch ein Indiz dafür sein, dass beide Unternehmensgruppen eigentlich gar nicht so weit in der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auseinanderliegen, aber es bestimmte nicht beobachtbare Erklärungsgrößen gibt, welche einen Unterschied dennoch erklären können. c.) Der Einbezug von inflationsbereinigten Profitabilitätskennzahlen konnte zu keiner Verbesserung der Klassifikationsgenauigkeit der Modelle führen. d.) Unternehmen, welche in einer Branche tätig sind, welche grundsätzlich einen positiven Beitrag zum BIP-Wachstum bringt, haben eine geringere Insolvenzwahrscheinlichkeit.

Weiterführende Studien: Die Ergebnisse zeigen klar auf, dass die Suche nach geeigneten Indikatoren zur Identifikation der Stadien „finanziell angeschlagen (=distressed)“ als auch „finanziell erholt (=recovered)“ noch weiterführende Forschung braucht. Diese Erkenntnis steht im Einklang mit früheren Studien, welche auf Grund unterschiedlichster „distress-Indikatoren“ keine guten Trennergebnisse zwischen Unternehmen unterschiedlicher finanzieller und wirtschaftlicher Zustände zeigten. Ein univariater Ansatz erscheint hierfür nicht erfolgsversprechend. Die klare Definition eines Gesundheitszustandes eines Unternehmens folgt eher einem multivariaten Charakter, was noch ausreichend Freiraum für empirische Untersuchungen ermöglicht.

 
Publiziert in:
Situm, M. (2016). Inflation-adjusted accounting ratios, industry growth and their potential to assign companies into three economic states. Global Business Conference 2016 Proceedings, 213-224.
 
Die auf der 7th Global Business Conference vorgestellte Präsentation finden Sie hier!